v. Marianne Frick, geb Behrens
Die Konfirmationszeit während des Krieges war mit großen Schwierigkeiten verbunden. Wir hatten während der Kriegszeit kaum Religionsunterricht in der Schule erfahren. Erst im Konfirmandenunterricht lernten wir die Hauptstücke *1), zuerst die Gebote, dazu Gesänge und Sprüche aus der Bibel. Der Vorkonfirmandenunterricht fand im Küsterhaus *2) statt. Der alte, blinde Pastor Riechelmann erteilte den Unterricht. Es waren für ihn die letzten Vorkonfirmanden, die einmal wöchentlich in seinen Unterricht kamen. Für die Konfirmanden fand der Unterricht 2x wöchentlich im Konfirmandensaal statt. Pastor Heintze war streng und energisch. Wir waren bemüht, seinem Unterricht zu folgen. Ärgern wollten ihn einige von uns, indem sie Kastanien unter den Stühlen entlang kullerten. Ertappt aber hat er niemanden.

Foto: Klaus Dittmer
Wir mussten an drei Sonntagen im Monat an der Kinderlehre teilnehmen. Dabei standen wir um den Altar und der Pastor stellte uns Fragen. Viele Kirchenbesucher kamen erst nach der Kinderlehre zum Gottesdienst.
Es war Weihnachten 1944 , als wir auf dem Weg zurück nach Westervesede von feindlichen Tieffliegern beschossen wurden, konnten uns jedoch ins Scheeßeler Holz retten. Nachdem die Tiefflieger wieder weiter geflogen waren, fuhren wir eiligst nach Hause.

Palmarum fanden immer die Prüfungen statt. 1945 war es der 25. März und alle haben selbstverständlich die Prüfung bestanden. Zu diesem Anlass trugen meine Schwester und ich blaue Kleider; unsere Schneiderin, die zum Nähen ins Haus kam, hatte sie angefertigt. Vier Tage später, am Gründonnerstag, war dann unsere Konfirmation mit Beichte und heiligem Abendmahl. Den Gang vom Pfarrhaus zur Kirche übten wir vorsichtshalber schon am Tag vorher. Unsere Eltern fuhren gemeinsam mit uns mit den Fahrrädern nach Scheeßel. Vom Pfarrhaus gingen wir, angeführt von Pastor Heintze und Pastor Koller, in Dreier- Reihen nach dem ABC der Dörfer sortiert zur Kirche. Es waren in dem Jahr insgesamt 169 Konfirmanden. Unsere Eltern standen mit den anderen Kirchenbesuchern vor der Kirche und freuten sich über den feierlichen Einzug. Meine Schwester und ich trugen ein Modellkleid von einem Modehaus aus Hamburg – auf Bezugsschein erhalten. Verwandte aus dem Hause hatten es unserer Mutter verkauft. Es war kurzärmlig, aber größer gearbeitet, damit wir noch hineinwachsen konnten, um es dann auch in den nächsten Jahren zum Abendmahl tragen zu können.
Den Ablauf in der Kirche hatten wir ja vorher geübt. Zuerst kam die Beichte, danach das heilige Abendmahl. Das Brot teilte Pastor Koller aus. Die Oblaten wurden in den Mund gelegt. Den Wein reichte uns Pastor Heintze. Der Konfirmationsspruch wurde uns zugeteilt. Meiner steht im Psalm 119, Vers 135 und lautet: ‚Lass dein Antlitz leuchten über mir und lehre mich deine Rechte.‘ Zur Erinnerung an die Konfirmation erhielt ich einen Bilddruck mit dem Titel:’Licht von oben‘. Darauf ist eine große Tanne im dunklen Wald dargestellt. Ein breiter Lichtstrahl fällt schräg auf die dicke Wurzel des Baumes. Des weiteren steht auf der Urkunde: „…ist nach empfangener Unterrichtung im Worte Gottes am 29. März 1945 in der ev. luth. Kirche in Scheeßel konfirmiert worden. Th. Heitze, Pastor.
Unseren Konfirmationsspruch haben wir aus dem Pfarrhaus abgeholt.
Bei uns zu Hause waren zur Konfirmationsfeier alle Paten und einige nahe Verwandte mit ihren Kindern, die immer dazugehörten, gekommen. Zum Nachmittag gab es Buttercremetorte, Butterkuchen, Hefekuchen mit Apfelmus gefüllt – den aßen die Kinder so gerne, weil er saftig schmeckte – und dazu noch Topfkuchen. Getrunken wurde Malzkaffee mit Milch. Für die Kinder gab es Milch und mit Wasser verdünnten Johannisbeersaft. In den Kriegs-und Nachkriegsjahren gab es für die Gäste zum Abendbrot meistens Gulasch mit Salzkartoffeln, Rotkohl und Bohnensalat. Das Kriegsende war schon abzusehen, dazu kam die Sorge um die Verwandten an der Front. Unsere Patentante hatte kurz vorher die Nachricht erhalten, dass jetzt, so kurz vor Kriegsende, ihr jüngster Sohn gefallen war – entsprechend war auch die Stimmung auf unserer Feier. Als Geschenk hatte jede von uns zwei weiße, selbst genähte Schürzen erhalten, außerdem drei Taschentücher von Schneidermeister Gottlieb Meyer. Dazu kam noch ein Geldgeschenk von 500 RM, welches sofort zur Bank gebracht wurde.
Die liebste Erinnerung an meine Konfirmationszeit, die mir heute immer noch viel bedeutet ist der 1. Korinth. 13, ‚Das Hohelied der Liebe‘, wo es am Schluss heißt: „Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“
Erläuterungen:
*1) Abschnitte des Katechismus nach Dr. Martin Luther
*2) „Zevener Str. 5“ – zwischenzeitlich abgerissen; heute: Sparkasse Scheeßel SB-Center