Wilma Volkmer, geb. Bruns erinnert sich:
Hochzeitsfeiern und Hochzeitsbräuche
Heirat und Eheschließung spielen seit Jahrhunderten eine Rolle im Leben der Menschen. Jedoch haben sich Sitten und Bräuche im Laufe der Zeit stark verändert.
An einige dieser Hochzeitsbräuche kann sich Wilma Volkmer, geb. Bruns, im Gespräch mit Margaretha Leverenz noch recht gut erinnern. Besonders an einen, der auch bei ihrer Hochzeit zur Anwendung kam.
Der Brauch besagte, dass aus dem Haus, aus dem der eine Teil des Brautpaares auszog, ein Hahn entwendet wurde. Das Tier wurde erst einmal zwecks Ruhigstellung mit Alkohol betäubt, danach in einen Jutesack gesteckt und heimlich in das neue Domizil gebracht. Dort versteckte man das alkoholisierte Tier im Schlafzimmer der Brautleute – z.B. im Kleiderschrank oder in einer Truhe . Wenn dann am nächsten Morgen der Hahn aus seinem Koma erwachte und anfing zu krähen, wurde sicher so manches Brautpaar unsanft aus dem Schlaf geweckt.
Nicht weniger unangenehm für Brautleute war es, wenn sie mitten in der Nacht und müde von der Hochzeitsfeier endlich in ihre Betten fallen wollten, dieselben erst einmal wieder zusammenbauen mussten. Einige Spaßvögel aus der Dorfjugend hatten während der Feier heimlich die Betten auseinandergebaut. Leider waren dabei nicht selten hässliche Schrammen auf den neuen Möbeln entstanden. Die Hochzeitsnacht war damit natürlich auch viel zu kurz ausgefallen.
Ein – besonders für die Braut – hartes Ritual hat sich bis weit ins 19. und 20. Jahrhundert gehalten: Die Braut musste beim Bestellen des Aufgebotes vor dem Pastor offenlegen, ob sie „unschuldig“ oder „ehrbar“ – also als Jungfrau vor den Altar tritt. Wehe, wenn nicht! Von der Kanzel wurde dann der „Fehltritt“ abgekündigt – daher auch das Wort „abkanzeln“. Als äußeres Zeichen eines solchen Fehlverhaltens durfte sie nicht im weißen Kleid heiraten, sondern musste schwarz gewandet in die Kirche gehen. Und damit wusste auch der letzte Bescheid.
In diesem Zusammenhang sei noch ein anderer Brauch erwähnt, allerdings nicht unbedingt ein Hochzeitsbrauch.
Wurde ein junger Mann oder ein junges Mädchen von einem langjährigen Freund / Freundin oder gar schon Verlobten verlassen, konnte er /sie sich dem Hohn und Spott der Dorfjugend sicher sein, denn zur Zeit der mit Reet gedeckten Häuser brachte sie einen Bienenkorb auf dem First des Hauses an. Das änderte sich später mit der Einführung der Ziegeldächer. Von da an streute man Häcksel, Holzhackschnitzel oder Sägemehl vors Haus.
Der Brauch des „Schleierabtanzens“ hat sich bis in die heutige Zeit erhalten. Leider fielen dabei nicht selten Tränen, dann nämlich, wenn die Braut sich vorher nicht den Schleier einschneiden ließ; denn nicht immer ging man dabei vorsichtig zu Werke sondern riss der Braut recht unsanft den Schleier vom Kopf.
Wie lief nun vor ca. einhundert Jahren so eine Bauernhochzeit in Westervesede ab?
Üblich war es, die Feier auf dem bäuerlichen Hof eines der Brautleute auszurichten.
So eine richtige Bauernhochzeit feierte fast das ganze Dorf mit; und so kamen schnell 150 – 200 Gäste zusammen. Eingeladen wurde durch einen Hochzeitsbitter oder Köstenbitter, der von Haus zu Haus ging, seinen Einladungsvers hersagte und dafür ein Trinkgeld oder einen kräftigen Schluck aus der Schnapsflasche bekam.
An einem der letzten Tage vor der Hochzeit, auch Kissenwagentag genannt, ratterte dann ein Leiterwagen durchs Dorf und brachte die – meist üppige – Aussteuer der Braut in ihr neues Heim. Die Aussteuer bestand in der Regel aus Bettzeug und Stapeln von Leinentüchern für Küche, Tisch und Bett, auch Möbelstücke, die bis Mitte des letzten Jahrhunderts noch von einem Tischler aus der näheren Umgebung angefertigt wurden und meistens mehr als eine Generation überdauerten.
Am Tag vor der Hochzeit rückte die Köchin an, eine tüchtige Frau aus dem Ort. Das Fleisch für den Braten stammte natürlich aus dem eigenen Stall. Auch einige Hühner mussten für die Hochzeit ihr Leben lassen, denn eine kräftige Hochzeitssuppe gehörte einfach zum Hochzeitsmenue. (Noch heute hat wohl jede Region ihr eigenes Rezept für eine traditionelle Hochzeitssuppe) Bei ihren Essensvorbereitungen fand die Köchin tatkräftige Unterstützung bei mehreren jungen Mädchen aus Westervesede. Besonders beim Kartoffelschälen, Fleischklöße drehen und Gemüseputzen halfen sie am Vortag tüchtig mit und hatten dabei nicht nur viel Arbeit, sondern auch eine Menge Spaß. Oft konnten sie dabei auch einen ersten Blick auf volle, fein säuberlich eingeräumte Schränke werfen.
Und dann war der große Tag da. Alles lief auf Hochtouren weiter. Die Tafel für die vielen Gäste musste gedeckt werden. Bei gutem Wetter auch schon mal draußen unter den hohen Eichen. In ungünstigeren Zeiten räumte man eine Scheune auf dem Hof aus und schmückte sie festlich.
Das Geschirr lieh man sich in der Nachbarschaft zusammen. Das ganze Dorf war auf den Beinen und packte mit an. Die Trauung fand entweder zu Hause oder in der Scheeßeler Kirche statt. Dorthin fuhr man mit Kutschwagen. Nach dem Kirchgang ging es wieder zurück auf den Hof. Hier wurde das große Ereignis im Bild festgehalten. Auf einem freien Platz – oft vor dem Dielentor – war eine Stellage aufgebaut, auf die sich die ganze Hochzeitsgesellschaft aufstellte: die wichtigsten wie Brautleute, Eltern und Geschwister in der ersten Reihe, der Rest gruppierte sich drumherum. Die Zeit zwischen Kirchgang und Essen wurde oftmals aber auch dafür genutzt, einen Blick in den Schrank – früher auch Schapp genannt – zu werfen. Nicht selten lagen die weiblichen Gäste vor dem Schrank auf den Knien um die große Anzahl Handtücher, Bett-und Tischwäsche zu begutachten oder gar zu zählen. Und dann ging es zum Essen. Suppe als ersten Gang . Es folgte : Hühnerfrikassee mit Reis, in späteren Jahren auch mit Pasteten, dann der Hauptgang bestehend aus Braten, Gurken- oder Bohnensalat und Gemüse, was der Garten oder die Einmachgläser gerade hergaben. Der Nachtisch hatte sich im Laufe der Zeit geändert. Reichte man zu Uromas Zeiten noch Milchreis mit Zimt und Zucker oder mit Backobst, lagen Mitte des letzten Jahrhunderts feine Erdbeer-, Himbeer- und Zitronencremes voll im Trend.
Wilma Volkmer konnte sich erinnern, dass des öfteren nach einem solch opulenten Essen die ganze Hochzeitsgesellschaft sich auf den Weg zu Hanschen Harms Gaststätte machte. Auf dem großen Saal spielte eine Kapelle bis in die späten Abendstunden zum Tanz auf. Erst spät in der Nacht ging es dann ins Hochzeitshaus zurück, wo ein später Imbiss bereitstand; beliebt waren damals wohl Kartoffelsalat mit Würstchen, belegte Brote oder Reste vom Hochzeitsessen.
(ml)