Auch wenn der Name des Festivals im Allgemeinen mit dem Ort Scheeßel verbunden wird, geht der Event nicht spurlos an Westervesede vorüber.
Hurricane-Festival – Kultur oder Kommerz ?
… auf jeden Fall: Kult
Das Festivalgelände (Eichenring und Umgebung) liegt mittig zwischen Scheeßel und Westervesede an der L 131, die während der Auf- und Abbauarbeiten stark belastet ist (Tempobeschränkung auf 50 bzw. 30 km/h ). Während des Events und der An- und Abreisetage ist die Straße komplett gesperrt. Ein nicht unerheblicher Teil der Flächen, die von Landwirten als Parkflächen vermietet werden, liegt im Gebiet der Gemarkung Westervesede.
Während in den ersten Jahren die Festivalbesucher ihren Proviant zu einem großen Teil mitbrachten, um ihn dann in den Geschäften der umliegenden Ortschaften ggf. zu vervollständigen, gibt es jetzt auf dem Festivalgelände selbst neben den vielen Ständen für Getränke und Verzehr einen Supermarkt, in dem die Grundversorgung während des Festivals befriedigt werden kann.
Das Festival hat sich zu einem Wirtschaftfaktor entwickelt, an dem lokale Gewerbe- und Handelsbetriebe kaum noch partizipieren.
1997 – das Jahr des ersten „Hurricane-Festivals“ ließ viele Scheeßeler und Westerveseder sich daran erinnern, dass zwanzig Jahre zuvor (1977) ein Musik-Festival auf dem Eichenring ein unrühmliches Ende fand. Der Veranstalter hatte sich verkalkuliert, konnte die Bands nicht bezahlen und machte sich schließlich mit der Tageskasse auf und davon – in das DGH Westervessede. In der Konsequenz traten Bands nicht mehr auf und die Festival-Besucher ließen ihrer Wut freien Lauf. Die Bühne wurde angezündet, brannte nieder, Container mit Getränken von örtlichen Unternehmen wurden aufgebrochen und geplündert.
Scheeßel – und Westervesede – hatten zunächst von solchen Veranstaltungen die „Nase voll“.
Mit dieser Hypothek vorbelastet wagte sich ein neuer Veranstalter 1997 daran, erneut ein Musik-Festivall auf dem Eichenring zu veranstalten.
Und er hatte Erfolg. Waren es zunächst nur etwa 20.000 Besucher, wurden 2016 75.000 verkaufte Eintrittskarten vermeldet. Und die Organisation wurde jedes Jahr perfekter – aus einem überschaubaren Musik-Event wurde ein kommerzielles Großereignis.
Mit jedem Jahr wurde aber auch der Abstand vom Festivall zur örtlicher Bevölkerung, zu Handel und Gewerbe größer. Das Festival entwickelte sich zu einem autarken Marketing-Unternehmen, das letztlich vor allem nur noch regionale Dienstleistungen von der verkehrslenkenden Polizei, den Feuerwehren, dem Rettungsdiensten (DRK), dem Krankenhaus in Rotenburg, den Fuhrunternehmen für die Versorgung mit Treibstoffen und die Entsorgung von Fäkalien in Anspruch nahm. Die örtliche Bevölkerung, Handel und Gewerbe waren eigentlich – soweit sie nicht dem Festival nützlich sind – nur noch nebensächlich – Menschen
– die sich mit den erforderlichen verkehrlichen Einschränkungen in ihrer gewohnten Freiheit beschnitten fühlen,
– die der lautstarke Musik – auch wenn sie nichr ihrem persönlichen Geschmack entsprach – nicht entgehen können und
– die am Ende ihre ansonsten liebenswerte Umgebung als Müllhalde erfahren müssen.
Örtliche Getränkehändler stöhnen ob der Menge an Pfandflaschen, die eingelöst werden, ohne dass sie im Vertrieb der Getränke beteiligt waren, und manch ein Einkaufswagen der örtlichen Geschäfte landet als missbrauchtes Transportmittel im Rest-Müll des Festivals.
2016 jährt sich das Hurricane-Festival nunmehr zum 20. Mal.
Da immer weniger Besucher den Kernort mit seinen Geschäften aufsuchen und die Einwohner kaum einen Bezug zum Musikspektakel verspürten, haben die Gemeinde Scheeßel, der Gewerbeverein Scheeßel und der Veranstalter FKP-Scorpio erstmalig einen Wettbewerb ausgeschrieben, an dem sich die Landjugendgruppen, Westeresch, Westerholz, Westervesede und Wohlsdorf beteiligten. Aufgabe war es, mit übergroßen Strohpuppen eine Szene mit Bezug zum Hurricane darzustellen. Alle Teilnehmer wurden aktuelle Festival-T-Shirts versprochen *). Als Sieger wurde die Landjugendgruppe Westervesede zudem mit Einlassbänder für die exclusive VIP-Aftershowparty am 24.Juni prämiert, an der Jugendliche aus (alters-) rechtlichen Gründen nicht teilnehmen konnten.
*) Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es sich bei den T-Shirts offensichtlich um Fehldrucke handelte.
Zeitgleich stellen die Geschäfte im Kernort gerahmte Bilder mit Motiven vom Hurricane-Festival aus, mit denen der eine oder andere Gast animiert werden sollte, den Kernort einmal aufzusuchen. Örtliche Unternehmen warben somit für das Hurricane-Festival ohne letztendlich selbst Nutznießer zu sein!
(awl)