- Bis zur Christianisierung (um 800)
Die Begräbnissitten dieser Zeit sind gekennzeichnet durch die vielerorts bekannten Großsteingräber (Hünengräber) z.B. bei Gut Veerse ( Jungsteinzeit, ca. 3000 v. Chr.) und die Erdhügelgräber (Bronzezeit, ca. 1500 v. Chr.)
Die später angelegten Urnenfelder (Fundorte: „Twervie“, „Kleiner Loh“ oder „Auf dem schwarzen Land“) ( ca 1000 v. Chr.) zeugen von Feuerbestattungen, die mit der Christianisierung ein Ende fanden.
- Nach der Christianisierung und dem Bau von Kirchen auf geweihtem Gelände fanden die nunmehr Erdbestattungen im unmittelbaren Umfeld der Kirche statt
Jeder Ortschaft im Kirchspiel Scheeßel war einen gesondertes Gräberfeld zugeordnet, dabei handelte es sich um Massengräber.
Insbesondere in Zeiten erhöhter Sterblichkeit (Seuchen, Kriege, Hungersnöte) gerieten die Kirchhöfe schnell an ihre Kapazitätsgrenzen. Das oft tägliche Öffnen der Gräber mit den Umbettungen halbverwester Leichen sorgte für anhaltende Geruchsbelästigung und gesundheitliche Gefahren. So wurde der Scheeßeler Friedhof an der Kirche 1823-25 um Flächen vom benachbarten Landwirt Lüdemann und des Pfarrhofs erweitert.
Quelle: Chronik Kirchspiel Scheeßel
Bereits gut 20 Jahre später wurde 1847 an der Zevener Straße ein neuer Friedhof angelegt – heute Park am Rathaus -, der aber bereits nach der letzten Belegung 1911 wieder geschlossen wurde.
1885 wurde am Veerser Weg / Peterstraße – außerhalb der Wohnbebauung – ein größerer kirchlicher Friedhof angelegt; 1887 war dort auch eine erste Friedhofskapelle fertiggestellt. Aber auch dieser Friedhof stieß bald an seine Kapazitätsgrenzen. So wurde bereits vor 1930 ein neuer Friedhof in kirchlicher Trägerschaft am Leehopweg geplant und angelegt.
Gleichzeitig erhielten etliche Ortschaften einen eigenen Friedhof: so wurde in Ostervesede 1926 und in Westervesede 1928 ein eigener Friedhof in kommunaler Trägerschaft in Betrieb genommen. (s.a. besonderen Beitrag: Friedhof Westervesede)
Die ARD hat in einer Sendung zum Thema „Leben mit dem Tod“ einige Rituale vorgestellt:
Vor ca. 200 Jahren – und in vielen Regionen auch noch später – war es üblich, alle Spiegel mit schwarzen Tüchern zu verhängen, wenn jemand starb. Man glaubte nämlich, dass ein Spiegel ein Werkzeug des Teufels sei. Und wer sich selbst zusammen mit einem Toten im Spiegel sähe, wäre er der nächste der stürbe.
Auch der Brauch am Todestag alle Uhren im Haus anzuhalten, war weit verbreitet. Das sollte bedeuten, dass für den Toten die Zeit abgelaufen war. Aber man munkelte auch, wenn der Pendel der Uhr nicht angehalten würde und immer weiter tickte, dann könne die Seele des Toten keine Ruhe finden und müsste in alle Ewigkeit herumirren.
Wenn damals ein Mensch starb, wurde die Nachricht von seinem Tod noch persönlich überbracht. Ein Mann ging von Haus zu Haus und sagte beispielweise: „Guten Tag, Anton Müller ist heute gestorben und ich bitte euch am Freitag zur Trauerfeier zu kommen.“ – Weil dieser Mann immer „Bitte“ sagte, nannte man ihn auch „Leichen-Bitter“.
Dies Wort ist heute noch bekannt und wird gebraucht, wenn jemand mit traurigem Gesicht herumläuft – mit einer „Leichen-Bitter-Miene“.
In der Broschüre „Westervesede stellt sich vor (1986)“ beschreibt Jürgen Huch die Tradition um Tod und Beerdigung:
Das Ausheben des Grabes und das Tragen des Sarges wird durch die Dorfgemeinschaft übernommen, Zum Graben erhalten jeweils zwei Personen, bei starkem Frostwetter auch schon mal drei, und zum Tragen sechs Personen Bescheid. Jedes Haus kommt an die Reihe; es geht von Haus zu Haus durch das gesamte Dorf.
Früher wurde der Sarg im Trauerhaus aufgebahrt. Die Nachbarn übernahmen das Ankleiden des Verstorbenen, erledigten alle Formalitäten und standen der Trauerfamilie in den schweren Stunden mit Rat und Tat bei. Nach dem die Trauerfeier im Haus (vom Lehrer)gehalten war, wurde der Sarg auf einem mit Pferden bespannten Wagen geladen, mit Kränzen bedeckt und in einem Trauerzug zum Friedhof (bis 1971 nach Scheeßel) gefahren. Mit Gesängen aus dem kirchlichen Gesangbuch führte der Lehrer mit acht Schulkindern den Trauerzug an. Neben dem Wagen reihten sich die Träger ein. Hinter dem Sarg ging der Pastor (der bis 1971 den Trauerzug in Scheeßel erwartete) , dahinter die Angehörigen und anschließend die Trauergemeinde.
[Die Texte der Traueransprachen des letzten Lehrers der Volksschule Westervesede liegen dem Verein VEESbook e.V. vor.]
Nach dem Kriegsende 1945 wurden viele Flüchtlingsfamilien aufgenommen, mit dem Wirtschaftaufschwung erfolgten Um- und Neubauten der Häuser. Als Folge war oftmals eine Aufbahrung der Verstorbenen schwieriger oder gar unmöglich, denn Dielen oder große Flure standen nicht mehr überall zur Verfügung. Da fasste die Gemeinde Westervesede 1969 den Beschluss zur Planung und Bau einer Friedhofskapelle mit angegliedertem Leichenraum, die nur finanziert werden konnte, weil jede Familie einen Betrag von 300 DM beisteuerte. 1971 konnte die Kapelle eingeweiht werden; sie steht seither für Trauerfeiern aus Ostervesede und Westervessede zur Verfügung.
Die Säkularisierung der ehemals streng kirchlich geprägten Gesellschaft ist auch hier zu beobachten; sie zeigt sich nicht nur in der Verlagerung der Trägerschaft von neuen örtlichen Friedhöfen auf die Kommunen. Galt früher die Mitgliedschaft in der Kirche (und regional hier meist der evangelischen Kirche) als Selbstverständlichkeit , ist dieser Anteil in der Bevölkerung stark zurückgegangen (2011: Land Niedersachsen 50 %, Stadt Hannover 31,8 %, Bremen 37,4 %)
War die Bestattung ursprünglich Sache der Hinterbliebenen bzw. des sozialen Verbandes (Dorf, Zunft, beruflicher Verbände) entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein neuer Berufsstand: der Bestatter. Wurden diese Aufgaben zunächst von (Sarg-)Tischlern oder Fuhrbetrieben quasi nebenberuflich wahrgenommen, entwickelten sie sich zu Spezialisten, die ab Mitte des 20. Jahrhunderts auch zeremonielle Funktionen übernahmen.
Zeichen einer fortschreitenden Säkularisierung sind so auch folgende Beobachtungen:
Die Begleitung und Betreuung Sterbender und Trauernder wird zunehmend nicht mehr von Geistlichen wahrgenommen sondern von anderen gesellschaftlichen Gruppen wie Selbsthilfegruppen oder professionellen Trauerbegleitern oder auch Psychotherapeuten übernommen.
- Heute ist eine ansteigende Zahl nicht kirchlicher Trauerfeiern zu beobachten, bei denen freie Trauerredner zum Einsatz kommen.
- Parallel hierzu finden Trauerfeiern vermehrt in besonderen Abschiedsräumen bei den Bestattern statt
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Die über Jahrhunderte hinweg traditionelle Erdbestattung im Holzsarg wird zunehmend ersetzt durch Feuerbestattung (Urne) oder die besonderen Formen der Baumbestattung, Seebestattung, Diamantbestattung.
(awl)